Béla Fleck: Rhapsody In Blue

Bela Fleck by Jeremy Cowart

Muss denn das sein – noch eine Aufnahme der „Rhapsody In Blue“ von Gershwin? Ja, wenn man sie so frisch und virtuos neu interpretiert wie Béla Fleck. Mit dem Banjo statt eines Klaviers.

von Werner Herpell

Beim Albumtitel hat er sich dann doch nicht getraut und ist konventionell geblieben. „Rhapsody In Blue“ heißt also das neue Album des Banjo-Virtuosen Béla Fleck, und damit genauso wie Hunderte andere Einspielungen dieses vielleicht ikonischsten Stücks US-amerikanischer Klassik-Geschichte.

So frech wie respektvoll

Er hätte sein Crossover-Wunderwerk ebenso gut „Rhapsody In Blue(grass)“ oder „Rhapsody In Blue(s)“ nennen können – beides hätte gepasst, diese originelleren Titelvarianten hat Fleck schließlich für zwei Einzel-Tracks seiner so frechen wie respektvollen Platte vergeben. Und das ohne jeden billigen Wortwitz, denn der 65-jährige Fleck macht aus der 100 Jahre alten Rhapsody von George Gershwin (1898-1937), die ohnehin schon zwischen Jazz und Klassik angesiedelt ist, ein Bluegrass- beziehungsweise Blues-Schmuckstück ohnegleichen.

Es bedarf heutzutage guter Gründe, um diese frühe Gershwin-Komposition für Orchester und Klavier nochmal anzufassen – die tausendste Piano-plus-Streicherbombast-Version ist es jedenfalls nicht. Béla Fleck, der in seiner langen Karriere zwischen 1995 und 2016 in so unterschiedlichen Kategorien wie Country, Jazz, Pop, World-Music und Crossover-Klassik 16 Grammys gewann und weitere 30 Mal nominiert wurde, hat die Formel zur Neu-Interpretation und Neu-Instrumentierung des berühmten, für jedermann mitsummbaren Stoffs gefunden.

Eine beschwingte Bluegrass-„Rhapsody“…

Béla Fleck Rhapsody In Blue Cover

Das Album beginnt mit gut zwölf Minuten „Rhapsody In Blue(grass)“, wo Fleck sein Banjo zu der aufs Wesentliche reduzierten Melodie mit einer Bluegrass-Band in einer beschwingt country-esken Fassung drauflos plinkern lässt. Schon hier vermisst man das vertraute Klavier kein bisschen. „Mein erster Gedanke war: ‚Rhapsody in Blue(grass)‘ ist die schrecklichste Idee, die ich mir je vorstellen konnte“, sagt Fleck über diesen wilden Ritt. „Aber als wir anfingen, es zu erforschen, merkte ich, dass es eigentlich ganz gut klang. Mit der Bluegrass-Version hatten wir die Möglichkeit, uns zu strecken, etwas Spaß zu haben und ein paar andere kreative Züge zu machen.“ Howdy!

Ein weiterer Höhepunkt ist die fast 19-minütige „Rhapsody In Blue“ in der klassischen Orchestrierung durch das hingebungsvoll auftrumpfende Virginia Symphony Orchestra unter der Leitung von Eric Jacobson –  jedoch mit Flecks Banjo statt des Tasteninstruments. „Ein Klavierspieler kann die Rhapsody viel schneller spielen als ich“, erklärt der US-Amerikaner aus New York. „Aber die Wahrheit ist, dass sie sie schon so oft gespielt haben, dass sie manchmal überhastet gespielt wird. Ich hörte zu und dachte: Da ist so viel drin, aber es geht so schnell vorbei, dass ich nicht alles mitbekomme. Das hat mir gezeigt, wie ich diese Teile auf dem Banjo neu interpretieren kann. Es könnte eine neue Erfahrung für die Zuhörer sein, anstatt sie zum fünfundzwanzigsten Mal auf dem Klavier zu hören. Es könnte sogar eine Offenbarung sein.“ Howdy zum Zweiten!

… und eine virtuose Bluesifizierung

Und Howdy! zum Dritten gleich danach für „Rhapsody In Blue(s)“, eine rund fünfminütige Bluesifizierung der süffigen Gershwin-Harmonien. War zuvor die My Bluegrass Heart Band (Michael Cleveland, Sierra Hull, Justin Moses, Mark Schatz, Bryan Sutton) mit Fleck am Start, so sind hier die langjährigen Kollegen Sam Bush, Jerry Douglas und Victor Wooten zu hören. Abgerundet wird das Angebot dieser tollen Platte, die 2025 locker für einen weiteren Crossover-Klassik-Grammy gut sein sollte, durch zwei kürzere Tracks:

Zum einen die Ersteinspielung von „Unidentified Piece For Banjo“, laut Béla Fleck „sehr ähnlich wie ein Ragtime-Musikstück durch die Gershwin-Linse, mit einer sehr eingängigen Melodie und einigen überraschenden harmonischen Bewegungen am Ende der Phrasen. (…) Um die Authentizität des Stücks zu erhalten, habe ich es auf einem alten, fünfsaitigen Banjo gespielt.“ Zum zweiten – als Closer – präsentiert der Virtuose eine Solo-Banjo-Version von Gershwins „Rialto Ripples“, einer frühen Ragtime-Komposition, die bei ihrer Uraufführung floppte. „Ich wünsche mir, dass es George Gershwin gefallen hätte, dass er gedacht hätte: Hmmm, das ist nicht das, was ich erwartet habe – aber die Musiker haben sicherlich etwas anderes dazu beigetragen.“

Béla Fleck entdeckt einen vertrauten Stoff neu

Kein Zweifel: Béla Fleck hat hier viel mehr geschafft, als Gershwins prachtvoller, innovativer Musik nach 100 Jahren ein bisschen was Neues hinzuzufügen. Seine ganz besondere „Rhapsody In Blue“ ist ein Musterbeispiel für die Weiterentwicklung und Erweiterung eines eigentlich schon allzu vertrauten musikalischen Stoffes. Grandios.

Das Album „Rhapsody In Blue“ von Béla Fleck erscheint am 16.02.2024 auf CD und am 05.07.2024 auf Vinyl bei Béla Fleck Production/Thirty Tigers/Membran. (Beitragsbild von Jeremy Cowart)

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